In ihrem Antrag geht die Gruppe davon aus, dass viele Menschen im Alltag mit ihren Toten in Kontakt stehen, es aber gar nicht bemerken oder sich nicht trauen, es zu erzählen, „da kognitive und narrative Rahmungen in der Regel fehlen“, auch wenn der Tod wieder präsenter geworden ist: „Man spricht heute viel über den Tod und noch viel mehr über das Sterben, aber die Toten und Ahnen gehen nicht um. Sie brauchen ein spezielles Milieu, um anwesend abwesend sein zu können, wie es so ihre Art ist.“
Auch der Forscher Lorenz Widmaier hat sich der Frage nach der modernen Kommunikation mit den Toten gewidmet und beschäftigt sich mit digitalen Trauer- und Erinnerungspraktiken, die er auch schon als Teil der MEMENTO-Ausstellung im Museum für Sepulkralkultur gezeigt hat.
Eine Mutter, die er interviewt hat, schrieb ihrem verunglückten Sohn auch nach dessen Tod weiter über WhatsApp, lud sogar sein Handy wieder auf, um die Zeichen sehen zu können, die den Empfang der Nachricht bestätigten. Aus Angst, die digitalen Erinnerungen zu verlieren, druckte sie Screenshots des WhatsApp-Verlaufs und bewahrte diese in einem Fotoalbum auf.
Widmaier sagt dazu: „WhatsApp ist zu einem wichtigen Medium für Hinterbliebene geworden, da hier der Alltag mit den Verstorbenen nacherlebt werden kann.“ Und:
Die Verstorbenen leben ja in einem selbst weiter und sind in den Alltag integriert. Man kann mit ihnen sprechen oder sogar noch an sie schreiben.
Klaus Onnasch erklärt im Gespräch mit friedlotse, dass das Kommunikationsmedium für den gefühlten Kontakt zu Verstorbenen entscheidend sein kann anhand der folgenden Geschichte aus seiner Trauergruppe: Eine Frau hatte sich nicht mehr von ihrem Mann verabschieden können. Kurz vor seiner Operation hatten sie telefoniert – ein Routineeingriff, der für ihn tödlich endete.
„Sie wusste nicht einmal mehr, wer aufgelegt hatte“, so Onnasch. „Ich habe ihr dann vorgeschlagen, sie könne in Gedanken wieder ein Telefonat mit ihm führen und fragte sie: ‚Was sagt ihr Mann Ihnen jetzt?‘“
Die Gedanken ihres Mannes, die sie über die gefühlte Telefonleitung vermittelt bekam, vor Zeugen laut auszusprechen, tröstete die Frau merklich. Sie konnte so an die Beziehung anknüpfen, die sie vor dem Tod mit ihm geführt hatte.